Was ist eigentlich Kunsttherapie?

Oft begegnet mir ein großes Fragezeichen im Gesicht meines Gegenübers, wenn ich sage, dass ich Kunsttherapeutin bin. Kunsttherapie??? Klingt interessant, aber was ist das? Kunsttherapie ist eine unglaublich tolle Sache und ich hoffe, mit diesem Beitrag etwas Licht ins Dunkel zu bringen und vielleicht auch dich dafür zu begeistern. Wenn du zehn verschiedene Kunsttherapeutinnen danach fragst, was Kunsttherapie ist, wirst du wahrscheinlich genau so viele verschiedene Erklärungen bekommen. Ich werde in diesem Beitrag zwar auf einige Grundprinzipien eingehen, auf die sich wohl die meisten Kunsttherapeutinnen einigen können. Dennoch ist auch mein kunsttherapeutischer Ansatz natürlich subjektiv und ich rücke jene Aspekte in den Fokus, die mir besonders wichtig sind. 

 

Noch etwas anderes vorausgeschickt: man kann noch so viel lesen über Kunsttherapie, um richtig zu erfassen, worum es geht, muss man selbst die Erfahrung machen. Kunsttherapie ist eine expressive Therapieform, welche mit dem ganzen Körper arbeitet. Ich gehe von einem ganzheitlichen Ansatz aus und sehe Körper, Geist und Psyche als eine nicht trennbare Einheit. Daraus ergibt sich, dass Kunsttherapie nicht „erlesen“, sondern erlebt werden muss.

Dennoch zurück zu meinem Versuch, etwas über die Kunsttherapie zu erzählen, um das große Fragezeichen kleiner werden zu lassen.

Dafür möchte ich zunächst ganz nahe am Begriff bleiben:

Welche Kunst ist gemeint in der Kunsttherapie?

Der Begriff Kunst kann gleich zu Beginn auf eine falsche Fährte führen. Ich bin vorsichtig mit Verallgemeinerungen, aber ich glaube doch, dass viele von uns mit dem Begriff Kunst irgendwelche besonderen Fertigkeiten, spezielles Können oder herausragende Originalität verbinden und in eine gewisse innere Distanz dazu gehen, im Sinne von: „Ich bin doch kein Künstler“, „Ich bin total unkreativ“ oder „Ich kann das nicht". In der Kunsttherapie geht es jedoch um etwas ganz anderes. Kunst in der Kunsttherapie hat nichts damit zu tun, etwas „Schönes“ oder „Besonderes" zu erschaffen, sondern damit, dich zu entdecken mit allem, was dich ausmacht: mit deinen ängstlichen, traurigen, wütenden, hässlichen, wunderschönen und geheimnisvollen Seiten. Es geht darum, dich selbst auszudrücken. Möglichst frei und intuitiv. Es geht darum, dich selbst nicht mehr zu bewerten und zu kontrollieren und alles Müssen und Sollen sein zu lassen. Gefühle, Empfindungen, Gedanken und im Körper gespeicherte Erfahrungen dürfen Form und Farbe annehmen und im Bild oder Objekt zu deinem be-greifbaren Gegenüber werden.

 

Die Seele spricht in Bildern

Die Grundidee hinter all dem ist, dass wir innere Bilder in uns tragen. Wir nehmen uns selbst und die Welt um uns herum mit all unseren Sinnen wahr. Diese vielen Eindrücke formen in uns Bilder, lange bevor wir in Begriffen denken und sprechen.

Die in der Kunsttherapie entstehenden Gestaltungen drücken ohne Worte aus, was oft tief in uns verborgen ist. Sobald etwas sichtbar ist, können wir auch bisher Unbewusstes wahrnehmen und bekommen Zugang zu unserem Inneren. Wenn wir unser Unterbewusstes verstehen wollen, müssen wir seine Sprache sprechen – die Sprache der Bilder. So viel möchte ich an dieser Stelle andeuten. Dieses Thema ist riesig und wird sicher bald einen eigenen Blogbeitrag füllen. An dieser Stelle ist es wichtig zu verstehen, dass im Gestalten innere Vorgänge, innere Bewegungen, sichtbar werden. Das äußere Bild kann man als Spiegel eines inneren Bildes betrachten. 

Die Wichtigkeit des Prozesses

In der Schule oder in Kunstkursen haben die meisten von uns mit einem bestimmten Ziel vor Augen gestaltet: dem fertigen Bild oder Objekt, dem Produkt unseres Schaffens. Was wir dabei gefühlt, empfunden, gedacht und wahrgenommen haben, war kaum von Bedeutung bzw. hat niemanden wirklich interessiert. 

Darin unterscheidet sich die Kunsttherapie ganz klar von unseren bisherigen Erfahrungen, denn hier ist der Gestaltungsprozess extrem wichtig.

 

In diesem Prozess gibt es keine Regeln, keine zu erlernenden Techniken, kein Ziel.

  • Es geht darin um die Wahl von Materialien, mit denen du dich selbst im Moment am besten spüren und am authentischsten ausdrücken kannst.
  • Es geht darum, wie du die Materialien verwendest.
  • Es geht darum, ob du ein Thema frei ausdrücken kannst oder blockiert bist.
  • Es geht darum, welche Empfindungen du während des Prozesses hast, welche Gefühle auftauchen und welche Gedanken entstehen.

Die Therapie in der Kunsttherapie

In der Kunsttherapie geht also um Selbstausdruck und Selbstwahrnehmung. Jetzt könnte man einwenden, das ist zwar schön und gut und sicher wohltuend, aber wo ist da die Therapie? Kreativität allein ist tatsächlich nicht per se heilsam. Sie ist sicherlich extrem förderlich, tut gut und dient der Selbsterfahrung. Nicht zuletzt deshalb gebe ich in diesem Blog immer wieder Gestaltungsimpulse.

 

In einer Therapie geht es jedoch um Heilung entlang eines bestimmten Themas.  Es ist zwar auch möglich, sich selbst zu heilen. Das kommt sogar sehr häufig vor, wir alle haben Selbstheilungskräfte, mit denen wir uns immer wieder aufrichten und neu zusammensetzen. Doch manchmal brauchen wir Unterstützung von außen, um Schwierigkeiten zu überwinden. Die Kunsttherapie ist ein Prozess der Heilung. "Heil" sind wir nicht, wenn wir unversehrt sind. Heil sind wir, wenn wir uns mit all unserem Licht UND unseren Schatten annehmen können. Wenn nichts Abgespaltenes uns mehr blockiert, wenn wir auch schwierige und schmerzvolle Erfahrungen integrieren können und wir unser Leben voller Vertrauen gestalten. Als Kunsttherapeutin begleite ich dich mit geeigneten Interventionen in diesem heilsamen Prozess, der von deinen Gestaltungen getragen wird.

Kunsttherapie braucht eine Kunsttherapeutin

Kunsttherapie passiert also gemeinsam mit einer Kunsttherapeutin oder einem Kunsttherapeuten.

Als Kunsttherapeutin kann ich zwar auch erklären, wie man ein gewisses Material verwendet oder wie man zwei Teile zusammenklebt, aber ich bin nicht primär dazu da, irgendwelche künstlerischen Fertigkeiten zu vermitteln. Meine eigentliche Aufgabe ist es

  • einen sicheren Raum zu schaffen
  • deinen Prozess der Selbstgestaltung zu ermöglichen, zu begleiten und zu unterstützen
  • Interventionen zu setzen, die deinem Entwicklungsprozess dienen
  • dich zu unterstützen, wenn dieser Prozess stagniert
  • dir zu helfen, in deiner Gestaltung eine Bedeutung zu finden und so mehr über dich selbst zu erfahren
  • dich durch schwierige Phasen zu begleiten
  • gemeinsam mit dir herauszufinden, was das in der Kunsttherapie Erlebte mit deinem täglichen Leben zu tun hat

Der Blick auf deine Gestaltung

Wenn wir ein Kunstwerk betrachten, bewerten wir es für gewöhnlich. Es gefällt uns oder gefällt uns nicht, wir finden es interessant oder uninteressant, außergewöhnlich oder banal, aussagekräftig oder langweilig, schön oder hässlich. An eine in der Kunsttherapie entstandene Gestaltung gehen wir anders heran. Sie ist innerhalb eines geschützten Rahmens entstanden. Sie ist ein sehr intimer Selbstausdruck. Als solche kann und darf  sie nicht bewertet werden. Sie ist jenseits der Kategorien schön und hässlich, jenseits künstlerischer Kriterien. Sie ist ein intuitiv gestaltetes inneres Bild. Dieses muss nicht immer schön und leicht anzusehen sein– kann aber :)

 

Bedeutung versus Ästhetik...

In der Betrachtung einer Gestaltung geht es also nicht um Ästhetik, sondern um die Bedeutung, die darin gefunden wird. Diese Bedeutung geht von dir selbst aus. Die entstehenden Bilder sind absolut keine Rorschachtests. Als Kunsttherapeutin habe ich aufgrund meiner tiefenpsychologisch fundierten und künstlerischen Ausbildung sowie meiner Erfahrung zwar eine Idee, warum du so gestaltest und nicht anders, aber ich interpretiere nicht. Du allein hast den Schlüssel zur Bedeutung, du selbst kannst eine bestimmte Perspektive einnehmen zu deiner eigenen Gestaltung. In der Kunsttherapie helfe ich dir dabei, deine eigene Bedeutung zu finden - im Gespräch, durch das Teilen meiner Wahrnehmungen, durch Impulse und Interventionen.

Was bringt dir Kunsttherapie?

Kunsttherapie ist ein sanfter und zugleich kraftvoller Prozess.

Sie nützt nonverbale Wege und kommt damit schnell zum Punkt.

Sie hilft, Hindernisse zu überwinden und innere Stärke zu finden.

Kunsttherapie setzt heilsame Prozesse in Gang, fördert dein persönliches Wachstum und hilft dir, ein erfülltes Leben zu führen.

 

 

Manchmal sind unsere Konflikte tiefgreifend und wir in unseren Handlungsmöglichkeiten so eingeschränkt, dass wir Unterstützung brauchen, um Schwierigkeiten zu überwinden. Wenn du allein anstehst und dir Begleitung wünscht, kontaktiere mich daher gerne für einen kunsttherapeutischen Prozess. Ich helfe dir dabei, dich frei und ohne Blockaden auszudrücken. Gemeinsam schauen wir, was sichtbar wurde und suchen Worte für das Erlebte und Entstandene. Wir finden heraus, welche Antworten du darin entdecken kannst und welche Möglichkeiten sich für dich daraus ergeben. 

 

Ich biete trotz Covid 19 und auch während des Lockdowns Kunsttherapie 1:1 mit ausreichenden Schutzmaßnahmen in meiner Praxis an, aber auch gerne online.

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Kommentare: 1
  • #1

    Catherine (Freitag, 27 November 2020 13:57)

    Wow! Danke für den ausgiebigen Einblick in deine Arbeit! Ich schaue mir das auf jeden Fall mal bei dir an!