Blackout Poetry

 

In der Kunsttherapie entstehen Bilder. Wir gehen davon aus, dass Bilder ausdrücken können, wofür Worte nicht reichen oder wofür es gar keine Worte gibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass geschriebene Wörter in Gestaltungen keinen Platz haben. Im Gegenteil, oft werden Bilder mit Worten ergänzt und kombiniert, beispielsweise in Collagen. 

 

Ich möchte heute eine besondere Art der Gestaltung vorstellen, deren Ausgangspunkt Worte sind: Blackout Poetry. Blackout Poems beflügeln deine Kreativität und verbinden dich mit deiner Intuition. Gleichzeitig machen sie sehr viel Spaß und ermöglichen dir tiefe Erkenntnisse. 

 

Blackout Poetry kurz erklärt: sie entsteht, wenn du alle Wörter eines Textes mit einem Marker schwärzt oder übermalst und nur ausgewählte Wörter frei lässt, welche dann wiederum einen neuen Text bilden. So entsteht ein Bildgedicht aus dem übermalten und dem frei gelassenen Text.  

Ein bekannter Vertreter der Blackout Poetry ist Austin Kleon. Seine Blackout Poems entstanden ursprünglich aus einer Not heraus: während einer Schreibblockade, als ihm seine eigenen Worte fehlten, lieh er sich die Wörter anderer aus und machte etwas Eigenes daraus. 

(Bild rechts: I spend too much time living in the past. Blackout poem von Austin Kleon.)

 

Viele von uns kennen dieses Gefühl einer kreativen Blockade, einer Hilflosigkeit vor dem leeren weißen Blatt. Sich Inspiration bei anderen zu holen ist ein wunderbarer Weg, um die eigene Hemmung zu überwinden. Das kann sein, indem man sich Bilder anderer Künstler, Fotos, Bildimpulskarten usw. ansieht oder einfach mit offenen Augen durch die Welt geht.  

 

Sich inspirieren zu lassen steht in keinem Widerspruch dazu, von innen heraus zu gestalten. 

 

Tatsächlich ist es so, dass Gestaltungen immer in dir selbst entstehen, auch wenn du dich inspirieren lässt. Es wird dich immer das anregen, womit du in Resonanz gehst. Wenn du beispielsweise aus einer Zeitschrift Bilder für eine Collage auswählst, sind das immer solche, mit denen du innerlich in Bezug gehst. 

 

So ist es auch bei der Blackout Poetry. Du schwärzt Wörter nicht beliebig nach dem Zufallsprinzip, sondern hebst durch Auslassungen jene hervor, die dir etwas zu sagen haben, alle anderen übermalst du. Dadurch entsteht dein eigener, ganz neuer Text. 

 

Du liest zwischen den Zeilen und findest deine eigene Erzählung in den Worten eines anderen.

In diesem Prozess projizierst du Inneres in die gefundenen Worte und bekommst so die Möglichkeit, es näher zu erforschen. In der Auswahl und Kombination der Wörter darf sich zeigen, was gerade dein Thema ist. 

 

Nachdem die auszulassenden Wörter eingekreist sind, beginnt das Schwärzen des übrigen Textes. Das kann als sehr meditativ erlebt werden, zentrierend und erdend. Stück für Stück wird der Text geschwärzt, bis nichts mehr übrigbleibt als die von dir ausgewählten Wörter.  

 

Es ist ein sehr spannender und spielerischer Vorgang, einen Text zu überfliegen und dabei zwischen den Zeilen zu lesen. Nicht jede Textseite wird zu einem bedeutungsvollen eigenen Text werden, der dir neue Einsichten in dein Inneres ermöglicht. Manchmal wird etwas Seltsames, Verrücktes oder Komisches herauskommen. Auch das darf sein. Dieser Spaß und die Erfahrung an sich, die eigene Kreativität zu nützen, um aus Vorgegebenem Neues zu erschaffen, kann genauso bedeutsam sein wie das Gewinnen neuer Einsichten über dich selbst.  

 

Egal ob du Blackout Poetry nützt, um einfach Freude an deiner eigenen Kreativität zu haben oder um tiefe Einblicke in dich selbst zu gewinnen – sie ist in jedem Fall eine künstlerische Aktivität, die sich lohnt. 

Hier die Schritt-für-Schritt-Anleitung der Basic-Version: 

Für ein Blackout Poem brauchst du nichts weiter als einen Text und einen schwarzen Marker (Edding). Als Textmaterial eignen sich Romane, Kurzgeschichten, Zeitungen und Zeitschriften.  

 

Grundsätzlich kann man ein Blackout Poem mit jedem Text machen. Es ist aber trotzdem so, dass ein Zeitungsbericht über den Covid-Impfstoff oder den Börsenkurs wahrscheinlich weniger Wörter enthält, mit denen du in Resonanz gehst, als andere Texte. Ich finde es hilfreich, eine Zeitschrift oder ein altes Buch zu nehmen und ein paar Seiten darin zu überfliegen, bis ich das Gefühl habe, einen Text gefunden zu haben, mit dem ich gerne gestalte.  

 

Trotzdem ist es sinnvoll, auch nicht mehr als ein paar Seiten quer zu lesen, bis du einen auswählst. Dein kreativer Prozess soll spontan bleiben und Perfektionismus keinen Raum geben. Schöpferisch zu sein bedeutet außerdem nicht zuletzt, innerhalb vorgegebener Bedingungen und Möglichkeiten etwas Eigenes zu machen. Es besteht ein Wert darin, innerhalb der Limitierung und Struktur eines Textes, der gegeben ist, Neues zu erschaffen. Das anzunehmen, was ist.

 

Sobald du einen Text ausgewählt hast, trenn die Seite heraus. Lies ihn vollständig durch und kreise mit dem schwarzen Marker jene Wörter ein, die bleiben dürfen. Geh dabei ganz spontan und intuitiv vor und wähle jene Wörter aus, die dir auffallen, dich auf irgendeine Art ansprechen und in dir etwas auslösen, egal ob es positive oder negative Assoziationen und Empfindungen sind. Die Worte, die dich spontan ansprechen, sind wahrscheinlich die, die für dich auf irgendeine Weise wichtig oder bedeutsam sind. Vertrau einfach deiner Intuition.  

 

Danach lies dir die eingekreisten Wörter nochmals durch und streich eventuell Wörter wieder weg.  

 

Im nächsten Schritt malst du alles andere schwarz aus. Mach das achtsam und beobachte, wie du alles zum Verschwinden bringst, was gerade jetzt nichts mit dir zu tun hat.  

Wenn du möchtest, kannst du diese Basic-Version erweitern: 

 

Setz deiner Fantasie da keine Grenzen.

 

Hier einige Anregungen: 

 

Du kannst die ausgewählten Worte in eine Reihenfolge bringen, indem du sie nummerierst oder einen Weg zeichnest.

 

Du kannst mehrere Farben verwenden und rund um die ausgewählten, frei bleibenden Wörter Formen und Farben ergänzen. 

 

Du kannst etwas dazu malen oder abstrakte Gebilde entstehen lassen. 

 

Oder du experimentierst mit verschiedenen Materialien und verwendest statt oder zusätzlich zum Marker Acrylfarbe, Kreiden, Filzstifte und Buntstifte.

 

Alles ist möglich, nichts davon war schon mal da!

 

Es gibt keinen falschen Weg, ein Blackout Poem zu machen.  

Wenn du fertig bist, schau dir deine Gestaltung an:

Lies dir den neu entstandenen Text durch. 

 

Wenn du mehr über dich selbst erfahren möchtest, versuch Antworten auf folgende Fragen zu finden:

  • Was drückt dein Bildgedicht aus?
  • Sagt es dir etwas, was jetzt für dich wichtig ist?
  • Welche spontanen Assoziationen hast du?
  • Wie fühlst du dich, wenn du den Text liest?
  • Welche Empfindungen spürst du in deinem Körper?
  • Auch wenn du keine besondere Botschaft in deiner Gestaltung erkennst – wie fühlt es sich an, mit deiner eigenen Kreativität zu spielen?
  • Wie ist es für dich, wenn du mit dem gestalten musst, was dir die vorliegende Textseite bietet?
  • Welche Erkenntnis hast du gewonnen? 

Zuletzt gib deiner Gestaltung eine Benennung, die das auf den Punkt bringt, was du dir aus dem Gestaltungsprozess mitnehmen möchtest. 

 

Viel Freude beim Ausprobieren! Wenn du möchtest, schreib einen Kommentar darüber, wie es dir mit deinem eigenen Blackout Poem gegangen ist!

 

 Wenn du ein Blackout Poem in einem kunsttherapeutischen Setting machen möchtest, kontaktiere mich gerne. Siehe unten.

 

Manchmal sind unsere Konflikte tiefgreifend und wir in unseren Handlungsmöglichkeiten so eingeschränkt, dass wir Unterstützung brauchen, um Schwierigkeiten zu überwinden. Wenn du allein anstehst und dir Begleitung wünscht, kontaktiere mich daher gerne für einen kunsttherapeutischen Prozess. Ich helfe dir dabei, dich frei und ohne Blockaden auszudrücken. Gemeinsam schauen wir, was sichtbar wurde und suchen Worte für das Erlebte und Entstandene. Wir finden heraus, welche Antworten du darin entdecken kannst und welche Möglichkeiten sich für dich daraus ergeben. 

 

Mein Blog soll dazu anregen, selbst zu gestalten und sich in kreativen Prozessen mit sich selbst zu verbinden. Die vorgestellten Übungen zur kreativen Selbsterfahrung sind nicht zu verwechseln mit Kunsttherapie. Kunsttherapie erfordert eine ausgebildete Kunsttherapeutin / einen ausgebildeten Kunsttherapeuten. 

 

 

Ich biete trotz Covid 19 und auch während des Lockdowns Kunsttherapie 1:1 mit ausreichenden Schutzmaßnahmen in meiner Praxis an, aber auch gerne online. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Eva (Samstag, 23 Januar 2021 10:43)

    Hab grad "colourful poetry" probiert ;-)
    War ein sehr schönes Gestalten, danke für diesen coolen Impuls!

  • #2

    Maria (Sonntag, 24 Januar 2021 14:43)

    Für mich war Blackout Poetry neu, ich habe es gerne ausprobiert und das Ergebnis war für mich sehr aufschlussreich. Danke!