Psyche, Geist und Körper im Einklang. Embodiment in der Kunsttherapie

 

Wenn ich Menschen kunsttherapeutisch begleite, unterstütze und fördere, gehe ich von der Annahme aus, dass all unsere Erfahrungen in unserem Körper gespeichert sind.

Davon, dass Erinnerung und Wahrnehmung nicht nur Leistungen unseres Gehirns, sondern unseres gesamten Körpers sind.

Und davon, dass psychische Vorgänge körperlich eingebettet sind. 

Ich gehe davon aus, dass Bewusstsein einen Körper benötigt.

 

Um anschaulich zu machen, was zunächst noch sehr theoretisch anmutet, können wir unzählige Situationen aus dem Alltag heranziehen: 

Ein gewisser Duft versetzt uns augenblicklich in eine Atmosphäre unserer Kindheit.

Ein bestimmtes Lied erzeugt in uns in eine gehobene Stimmung.

Der Geschmack eines Gerichts führt uns in die Kindheit zurück.

Der Blick in einen Vortragssaal lässt Nervosität aufkommen.

 

Auch in Redewendungen wird der untrennbare Zusammenhang von psychischen und körperlichen Vorgängen deutlich: 

Etwas stößt mir bitter auf.

Ein Stein liegt mir im Magen.

Etwas geht mir an die Nieren.

Ich fühle mich beschwingt oder dünnhäutig.

Das Herz hüpft mir vor Freude, es schlägt mir bis zum Hals, bricht, ist am rechten Fleck, schwer oder aus Stein. 

 

 

Psyche, Geist und Körper sind eine funktionelle Einheit und nicht von einander zu trennen.

 

Mit der Einheit von Körper, Geist und Psyche beschäftigen sich die ostasiatischen Lehren seit langem und auch in der westlichen Medizin kommt man zunehmend von der Vorstellung einer dualistischen Unterscheidbarkeit des Menschen in Körper und Psyche ab.  

 

Ich habe nicht einen Körper, sondern ich bin mein Körper. 

 

Platon wusste bereits 400 vor Christus: "Der größte Fehler bei der Behandlung von Krankheiten ist, dass es Ärzte für den Körper und Ärzte für die Seele gibt, wo doch beides nicht voneinander getrennt werden kann."

 

Immer wieder taucht in der Erforschung des Zusammenspiels von Körper, Geist und Psyche der Begriff Embodiment auf, was mit Verkörperung übersetzt werden kann. Der Embodiment-Ansatz geht davon aus, dass das Bewusstsein eines Menschen nicht ausschließlich in seinem Gehirn gespeichert ist und auch nicht ohne den Rest des Körpers bestehen kann.

 

Das wird leicht verständlich, wenn wir uns überlegen, dass alles, was wir aus unserer Umwelt wahrnehmen, über unsere Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut läuft. Erst nachdem unsere Sinnesorgane Informationen aufgenommen und an das Gehirn weitergeleitet haben, setzt dieses sie zu einem vollständigen Bild zusammen. Der Mensch ist also als Leib eingebettet in seine Lebenswelt und nimmt aus dieser ständig Reize auf und verarbeitet sie.  Und noch mehr als das, wir nehmen auch permanent Reize von innerhalb unseres Körpers wahr und verarbeiten sie. Etwa die Tätigkeiten unseres Verdauungssystems, Ermüdung oder Wachheit, muskuläre Verspannungen, Schmerzen und unendlich viel mehr. Von all diesen Vorgängen wird unser Bewusstsein gefärbt.

 

 

Körperliche Prozesse formen unsere Psyche und umgekehrt.

 

Wenn wir all das berücksichtigen und damit einverstanden sind, Psyche, Körper und Geist als eine untrennbare Einheit, als ein sich gegenseitig permanent beeinflussendes System, zu betrachten, ergibt sich ganz logisch folgender Schluss: 

 

Unsere körperliche Verfassung beeinflusst unsere Gestimmtheit und unser Wohlbefinden maßgeblich.

 

Und auch umgekehrt, denn die Beziehung ist wechselseitig. Wir wissen etwa, dass eine Depression zu einer gebeugten, in sich zusammengefallenen Körperhaltung, zu Schlaflosigkeit, Appetitverlust oder -steigerung usw. führen kann.

 

Embodiment-Ansätze sind von zentraler Bedeutung für künstlerische Therapieformen wie die Kunsttherapie.

 

Sie untermauern ihre Wirksamkeit. 

Wenn unsere Wahrnehmung, unsere Erinnerungen, unsere Gefühle verkörpert sind, dann kann in weiterer Folge unsere innerpsychische Dynamik im Gestalten mit kreativen Medien Ausdruck finden.

Hinderliche, problematische und belastende Verkörperungen werden sichtbar und können durch neue heilsame Leiberfahrungen umgestaltet werden. 

 

Und umgekehrt wirkt dieser körperliche Ausdruck auf uns zurück, macht in uns Eindruck. Ausdruck bedingt Eindruck, dieser wiederum Ausdruck, und so fort. So kommt es zu einem lebendigen Dialog und einem tiefen Bezug mit uns selbst. 

 

Embodiment findet in der Kunsttherapie auf mehreren Ebenen statt und wird durch gezielte Interventionen begleitet.

 

Auf der ersten Ebene sind Erinnerung und Wahrnehmung auf leiblicher Ebene immer schon bereits vorhanden - ich sehe, ich fühle, ich spüre, ich nehme wahr. Und alles Vergangene hat in uns Spuren hinterlassen: es ist in uns verkörpert. Oder, bildhafter zu sprechen, es hat innere Bilder in uns erzeugt. 

 

Der kunsttherapeutische Gestaltungsprozess bildet die zweite Ebene:

Die eigenen innere Bilder werden ausgedrückt und im Gestalten weiterentwickelt. Der Körper drückt sich aus, in dem die Hand möglichst frei, spontan und intuitiv mit einem Stift über Papier gleitet, Farben ineinander verrinnen lässt, ein Stück Ton formt, Bilder für eine Collage sammelt, Pastellkreide verreibt und vieles mehr. 

 

Die Hand bewegt sich über das Papier. Auch innerpsychisch bewegt sich etwas. 

Ich kann nicht etwas bewegen ohne selbst bewegt zu werden.

Ich kann nicht etwas berühren, ohne selbst berührt zu werden. 

Etwas kommt wieder in den Fluss.

Was eng war, kann sich weiten.

In die Starre kommt Bewegung. 

 

In tiefem Bezug mit sich selbst entsteht Raum für das, was jetzt da ist, für das, was sich jetzt zeigt. 

 

Die dritte Ebene bildet die nun sichtbare Verkörperung, also die Gestaltung, welche jetzt vor uns liegt.

Ein inneres Bild ist nach außen gekommen, über den eigenen körperlichen Ausdruck. 

Achtsam und ohne zu werten blicken wir auf das, was entstanden ist.

Was erkennen wir darin?

Welche Antworten finden wir?

Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus?

 

In der Kunsttherapie werden über den Körper innere Bilder sichtbar, welche uns zeigen, welche inneren Schätze und Ressourcen wir in uns tragen.

Und auch solche, welche hinderlich sind für das eigene Wohlbefinden und die persönliche Entfaltung.

Schwieriges kann bearbeitet und integriert werden, indem die bestehenden inneren Bilder betrachtet, verändert und erweitert werden.

Der eigene Ausdruck und die eigene Wahrnehmung von sich und der Welt wird reicher und weiter. 

 

 

Manchmal sind unsere Konflikte tiefgreifend und wir in unseren Handlungsmöglichkeiten so eingeschränkt, dass wir Unterstützung brauchen, um Schwierigkeiten zu überwinden. Wenn du allein anstehst und dir Begleitung wünscht, kontaktiere mich daher gerne für einen kunsttherapeutischen Prozess. Ich helfe dir dabei, dich frei und ohne Blockaden auszudrücken. Gemeinsam schauen wir, was sichtbar wurde und suchen Worte für das Erlebte und Entstandene. Wir finden heraus, welche Antworten du darin entdecken kannst und welche Möglichkeiten sich für dich daraus ergeben. 

 

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